Politische Kommunikation in der Gegenwart wird weitgehend über Medien vermittelt. Dabei spielen Bilder in Form von Fotografien, digital erzeugten Collagen und Filmen eine herausragende Rolle bei der Vermittlung politischer Botschaften. Wie andere soziale, religiöse und politische Akteure bedienen sich dschihadistische Gruppen und Bewegungen Bildern und Videos, um unterschiedliche Zuschauergruppen zu erreichen. Sie versuchen, ihre ideologiegeleitete Interpretation der Realität sowie ihr Verständnis von Religion, Herrschaft und Gesellschaft an ein möglichst breites Publikum zu streuen, um damit bestimmte Wirkungen zu erzielen.
Die interdisziplinäre Nachwuchsforschergruppe Dschihadismus im Internet macht diese kommunikativen Angebote und den Umgang der MediennutzerInnen damit zu ihrem zentralen Erkenntnisinteresse. WissenschaftlerInnen aus den Disziplinen Ethnologie, Medien- und Filmwissenschaft sowie Islamwissenschaft fragen gemeinsam danach, was DschihadistInnen kommunizieren, wie sie es kommunizieren und wie dies von RezipientInnen angenommen wird. In einem dreigliedrigen Arbeitsprozess werden ethnografische Methoden mit neuen digitalen Methoden der Geistes- und Kulturwissenschaften kombiniert. Die beteiligten WissenschaftlerInnnen analysieren zunächst dschihadistische Bilder und Videos hinsichtlich ihrer politisch-religiösen Botschaften, ihrer Dramaturgie und Gestaltung. Mittels qualitativer Forschungsmethoden sollen so Wirkungspotenziale und die Intentionen der ProduzentInnen herausgearbeitet werden. Gleichzeitig fokussieren die ForscherInnen die Aufnahme, Weiterverarbeitung und Verbreitung der Medientexte in sozialen Netzwerken in Form affirmativer oder oppositioneller Kommentare, Bilder und Videos. Derartige nutzergenerierte Inhalte geben Aufschluss über die Attraktivität, die Akzeptanz oder Möglichkeiten der ‚Gegenrede‘ in netz(sub)kulturellen Gemeinschaften. Die medienethnografischen Untersuchungen beziehen sich auf die Nutzung und Interpretation dschihadistischer Bildmedien sowohl innerhalb als auch außerhalb des Internets. Sie fragen nach deren ‚Sitz im Leben‘ unterschiedlicher AdressatInnen und verbinden in der Forschung Online- mit Offline-Kontexten der Mediennutzung.
Die Erkenntnisse des Projektes sollen Medien- oder Radikalisierungsforschungen ergänzen. Sie können zuallererst einen Einblick geben, welche Bedeutung dschihadistische Botschaften in der Lebenswelt der NutzerInnen haben. Darauf aufbauend können die Erkenntnisse des Projektes auch zur Entwicklung von Kommunikationsstrategien für Gegenmaßnahmen dienen. Mittelfristig werden die Beobachtungen in eine Onlineplattform überführt, auf deren Grundlage Informationen zur politischen Bildung, Handreichungen für Aufklärungs- und Präventionsprojekte oder Pressestellen und politische EntscheiderInnen erarbeitet und bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt werden.