Digitale Transformationsprozesse ziehen sich inzwischen durch alle Bereiche der menschlichen Kommunikation und ihre Bedeutung hat sich, im Zuge der letzten Jahre – pandemisch bedingt –, potenziert. Insbesondere soziale Medien und digitale Medienproduktionen haben an Einfluss auf kulturelle Kontexte und Referenzsysteme gewonnen. Daher erforschen wir im Teilprojekt 2.3 des RMU-Verbundprojekts ceditraa popkulturelle Aneignungen und Verbreitungen in lokalen und diasporischen Kontexten mit nigerianischem und kongolesischem Bezug. Rezeptionen von Medieninhalten, Positionierungen in den Medienindustrien und Wahrnehmungen von Geschlechtern und Sexualitäten sind dabei zu beobachtende Kernprozesse von linguistischem und kulturellem Wandel in den damit verknüpften Realitäten.
Nigerianische Musik, Literatur, Filme und Comics – produziert in der Metropole Lagos –, sowie Kanäle und Mechanismen ihrer Verbreitung, zum Beispiel in Kinshasa, der kongolesischen Hauptstadt, und in diasporischen Kontexten beider Länder, bilden den Fokus unseres Projekts. Wir folgen den (digitalen) Medienproduktionen und den sich wandelnden Kontexten ihrer Verbreitung und ihres Gebrauchs und examinieren inwiefern sie zu Sprachwandel innerhalb der beiden meistgesprochenen Sprachen Kinshasas – der Bantusprache Lingala, sowie der Kolonialsprache Französisch – beigetragen haben. Auch arbeiten wir mit aktuellen Medienproduzent*innen, im Sinne kultureller Entrepreneurs, um den soziokulturellen Wandel, den sie mit ihren Repräsentationen von Geschlechtern, Queerness und sozialen Gefügen, anstoßen, in lokale und diasporische Kontexte zu setzen. Dabei ermitteln wir meta-linguistische Aussagen, Wandel von Narrativen und biographische Selbstzeugnisse, die Akteur*innen und Konsumierende in den Medienindustrien in Bezug zueinander setzen und sich zu Selbstzuschreibungen hin und von Fremdzuschreibungen wegbewegen.
Im Forschungskontext beschäftigen uns folgende Fragen: Haben nigerianische und kongolesische Akteur*innen in visuellen, auditiven und audiovisuellen Medienproduktionen bidirektionale und transregionale Kontakt- und Austauschräume geschaffen – und wenn ja, in welchen Medienbereichen? Zu welchem Ausmaß haben kongolesische Medienproduktionen – Stile, Charaktere, und linguistische Ausdrücke – den nigerianischen Markt geformt und zu welchem Ausmaß teilen die Dynamiken der Medienproduktionen in beiden Ländern Gemeinsamkeiten und historische Aspekte? Wie haben nigerianische Medien zu einem (medien-)kulturellen Wandel in Kinshasa beigetragen und welche linguistisch-kulturellen Einflüsse haben sie (auf kongolesische Medienproduktionen)? Hat die Zusammenarbeit von Lingala und Englisch sprechenden Musiker*innen und Produzent*innen in den Musikindustrien beider Länder zu einem Paradigmenwechsel im Sprachgebrauch (z.B.: neue Stile, Jugendsprache, Songtexte als Aneignung) geführt? Und was impliziert dieser Wandel für die zunehmende Anglifizierung frankophoner Medienindustrien? (Wie) haben sich Wahrnehmungen und Repräsentationen von Geschlechtern und Sexualitäten durch die Prozesse der Transregionalisierung und Digitalisierung verändert? In welchem Bezug steht die steigende repräsentative Wirkung von weiblichen und queeren Medienproduzent*innen zu Medienrollen und wechselwirkend zu gesellschaftlichen Rollen? Wie werden geschlechtsspezifische Relationen von Akteur*innen in den Medienindustrien evaluiert, neudefiniert und (re)kontextualisiert?