Die SARS-CoV-2-Pandemie führte weltweit zu unerwarteten und neuartigen Erfahrungen der Isolation, der Mobilitätsbeschränkung und zu neuen Formen des politischen, sozialen, ökonomischen und rechtlichen Ausschlusses. Schon früh wurden über Maßnahmen, die eigentlich auf eine Eindämmung des Virus gerichtet waren, die massive Einschränkung städtischer, regionaler und internationaler Mobilität legitimiert. Zwar werden Ausgangssperren, Quarantäne, social distancing und Mobilitätskontrollen weltweit erlebt, gleichzeitig sind jedoch mobile Bevölkerungsanteile in besonderem Maße betroffen, wenn Grenzen geschlossen und Migrant:innen abgewiesen, Pendler:innen der Grenzübertritt verweigert, Resettlement-Maßnahmen ausgesetzt oder rechtswidrige Abschiebungen von Geflüchteten mit pandemiebedingten Risiken gerechtfertigt werden. Im Zuge solcher Maßnahmen werden mobile Bevölkerungsgruppen und NichtstaatsbürgerInnen außerdem mehr denn je zur Zielscheibe von Fremdenfeindlichkeit. Diese Ausgangssituation fordert uns auf, alternative Untersuchungsansätze zu entwickeln, um a) Daten zu sammeln, b) neues Wissen über die Auswirkungen der Pandemie auf Gesellschaften des Globalen Südens zu gewinnen und c) zur Theoriebildung innerhalb der Sozialwissenschaften beizutragen, um die Migrations- und Im/Mobilitätsforschung programmatisch neu auszurichten.
Dieses wissenschaftliche Netzwerk bringt über die nächsten 3 Jahre (2021-2024) zwanzig Migrationsforscher:innen zusammen, die ihre jeweils unterschiedlichen empirischen Erfahrungen und theoretische Perspektiven zusammenführen werden. Gemeinsam werden wir untersuchen, inwieweit wir es zur Zeit mit einer Normalisierung von Erfahrungen der Abkopplung, der Isolation und des strukturell hervorgebrachten Wartens zu tun haben. Uns interessiert auch, ob dieses ‚neue Normal‘ zu einem „Zeitalter der Immobilität“ führen wird und wie wir diese Perspektive konzeptuell schärfen können. Unsere Erkenntnisse sollen genutzt werden, um unterschiedliche Sklalen der Im/mobilität und der Migration (Mikro, Meso und Makro) in eine gemeinsame theoretische Perspektive zu bringen. Gleichzeitig möchten wir mit einer kritischen Analyse dieser neuen globalen Verwerfungen einen wichtigen Beitrag zu einem erhöhten öffentlichen Problembewusstsein beitragen. Im Laufe dieser drei Jahre werden wir eine Reihe von Workshops und die Einbindung von Expert:innen nutzen, um unsere Erfahrungen auszutauschen, uns gegenseitig zu beraten, gemeinsame Publikationen voranzutreiben und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren.