Kinoerzählen in Ostafrika. Eine intermediale Praxis an der Schnittstelle von Film und mündlicher Erzählkunst

Das Kinoerzählen in Ostafrika ist eine populäre kulturelle Praxis, bei der sogenannte veejays Filme fremder Herkunft in lokalen Sprachen kommentieren. Der fremde Film wird dabei durch den Kommentar der Erzähler sprachlich und kulturell übersetzt, umgedeutet und angeeignet. Die Ursprünge des Kinoerzählens liegen in der Kolonialzeit, als lokalsprachige „Interpreter“ in kolonialen Diensten standen. Nach der Unabhängigkeit wurde die Praxis von lokalen EntrepreneurInnen fortgeführt, erlebt seit der Einführung der Videotechnologie eine Renaissance und ist zur Profession vieler junger FilmenthusiastInnen geworden. Es gibt Live-Erzählungen im Videokino und DVDs mit integriertem Kommentar, die in Videoläden verkauft oder in Videotheken verliehen werden. Inzwischen hat das Kinoerzählen auch Aufmerksamkeit durch die internationale Presse erfahren und europäische KünstlerInnen dazu inspiriert, veejays und ihre Arbeit in ihre multimedialen Kunstprojekte zu integrieren.

Das Projekt untersucht das Kinoerzählen als intermediale Praxis, die durch die Verknüpfung der Medien Film und mündliche Erzählkultur entstanden ist. Dabei wird ein breites Verständnis von Intermedialität zugrunde gelegt, das formelle und strukturelle, performative, kulturelle und sozioökonomische Aspekte einbezieht. Untersucht werden die Relation, Gewichtung und Hierarchie von Filmbild, Filmton, Sprache und mündlicher Erzählung sowie die Beziehung und Interaktion zwischen Erzähler und Publikum. Dies soll vergleichend anhand von Fallbeispielen aus drei ostafrikanischen Ländern – Tansania, Kenia und Uganda – untersucht werden. Der Vergleich ermöglicht es, die historischen Aneignungs- und Verbreitungswege und die jeweils entstandenen spezifischen lokalen Formen herauszuarbeiten. Die Untersuchung ist in drei Arbeitsbereiche unterteilt: 1. Praxis des Kinoerzählens, 2. Rezeption und Publikum, 3. Aneignung durch europäische KünstlerInnen.

Publikationen

Böhme, Claudia, 2019: The film Translator G Machine DJ Mark. In: Christine Nippe (Hg.): Afronautic Tales. Maix Mayer. Ausstellungskatalog der Ausstellung Afronautic Tales, Schwartzsche Villa Berlin. Berlin, S.63–66.

Böhme, Claudia, 2018a: Mediating Science Fiction Film through Translation and Commentary the Star Wars Episode “Attack of the Clones” in Kiswahili. In: Uta Reuster-Jahn and Serena Talento (Hg.): Swahili Forum 25 Special Issue: Swahili Literature in Global Exchange: Translations, Translators and Trends: 118-137. https://ul.qucosa.de/api/qucosa%3A35329/attachment/ATT-0/

Krings, Matthias, 2019:  Kinoerzähler in Ostafrika. www.kinofenster.de, Filmportal der Bundeszentrale für politische Bildung, April 2019. https://www.kinofenster.de/filme/aktueller-film-des-monats/kf1904-supa-modo-hg2-kinoerzaehlen/

Krings, Matthias, 2014: Kinoerzählen in Afrika – Skizze eines Forschungsfeldes. In: Hannelore Vögele, Uta Reuster-Jahn, Raimund Kastenholz u. Lutz Diegner (Hg.): From the Tana River to Lake Chad – Research in African Oratures and Literatures. Köln, S. 87–104. https://www.academia.edu/26014449/Kinoerz%C3%A4hlen_in_Afrika_Skizze_eines_Forschungsfeldes

Krings, Matthias, 2013: Karishika with Kiswahili Flavor. A Nollywood Film Retold by a Tanzanian Video Narrator. In: Matthias Krings und Onookome Okome (Hg.): Global Nollywood: The Transnational Dimensions of an African Video Film Industry. Bloomington und Indiana-polis, S. 306–326.

Krings, Matthias, 2012:  Turning Rice into pilau: The Art of Video Narration in Tanzania, in: Intermédialités 20 http://www.erudit.org/revue/im/2012/v/n20/1015086ar.html?vue=resume&mode=restriction

Krings, Matthias, 2010: Nollywood Goes East. The Localization of Nigerian Video Films in Tanzania. In: Mahir Saul und Ralph A. Austen (Hg.): Viewing African Cinema in the Twenty-First Century: Art Films and the Nollywood Video Revolution. Athens OH, S. 74–91.

Waliaula, Solomon, 2014: Active Audiences of Nollywood Video-films: an Experience with a Bukusu Audience Community in Chwele Market of Western Kenya. Journal of African Cinemas 6,1: 71-83.